Schwarze Spiele In Der Nacht
Die Nachricht erreicht mich im Urlaub, unter lauter sonnenbraunen lebenssatten Nrglern und "Bild"-Lesern.
Wie soll man das wegstecken? Mit der ewiggltigen Phrase, dass es einmal mehr beweist, wie kostbar und zerbrechlich das Leben ist und dass man jeden Tag Grund zur Dankbarkeit hat?
Und nun die Erinnerungen, die rckwrtsgewandte Prophetie: Ist es geschmacklos, sich nun einzubilden, dass sie in ihrer Coolness und unbestreitbaren Erdnhe schon immer umflort schien von Molltnen, von Tragik?
Dass man den frhen Tod ihres Vaters Hanns Lothar nie verga, und dass ihre lustige Kernigkeit immer diese Durchsichtigkeit hatte? Ja, sie war bisweilen so dnn, dass sie sich aufzulsen schien. Aber dann stand sie auf der Bhne, etwa in Sarah Kanes "Gesubert", nackt und frierend und verletzlich, und sie schrie ihre Liebe und ihre Angst und ihren Weltekel mit derartig krftiger Todesverachtung aus sich heraus, dass es, ja: unbequem wurde.
Mit ihr stand, damals, 1998, Uli Mhe auf der Bhne, auch er ein Freund (und verflucht ausdauernder Tennispartner). Nun starb Suse ihm nach. Vielleicht wollten ihre Krfte nicht weiter ohne ihn, denn sie waren miteinander verwoben, auf der Bhne, im Leben.
Wie habe ich sie bewundert. Damals, als ich eine Probe zu "Lulu" mit angesehen hatte, 1986, da war sie witzig und zerbrechlich und von komplett entwaffnender, unschuldiger Nacktheit. Sie war nicht schn, ihre Brste hingen, Zadek sah es, ich sah es, alle wrden es sehen im Schauspielhaus, dieser groen, allzu groen Kunstzermalmungsmaschine mit 1500 Zuschauern. Sie war noch nie nackt auf der Bhne und malos eingeschchtert. Sie hat gekotzt vor Nervositt. Sie war das Gegenteil von abgebrht.
Doch mit Suses "Lulu", diesem trotzigen Fnf-Stunden-Triumph, knpfte das Schauspielhaus 1986 noch einmal an die heroischen Tage an, an die poetischen "Ihr knnt mich mal"- Tage von Mattes und Wildgruber und Zadeks wstem Shakespeare-Zirkus - und das mit Wedekind. Suse also war nackt, bis auf die Seele nackt, und ich sagte ihr, wie groartig sie war. Wie wundervoll. Wir gingen viel spazieren. Nach ihrem umjubelten Premierenerfolg bedankte sie sich - bei mir! Weil ich ihr Mut gemacht htte, was wertvoll fr sie war, weil ich von auen kam. So war sie, leidenschaftlich, loyal, brechend komisch, und immer intensiv und auf der Kippe.
Funny Games: Schwrzer kann man das Leben nicht kommentieren
Als sie neben Uwe Bohm in "Andi" auf der Bhne stand, konnte man erleben, wie rhrend und trnentrivial sie sein konnte, mit welcher Inbrunst sie diesen Maffay-Song sang an Andis Grab: "Du wenn du gehst, dann geht auch ein Stck von mir..." Heines Harfenmdchen war das, "es sang falsch und mit echtem Gefhle." Zadek mochte sie schutzlos, in ihrer krftigen Art. Auch in Sarah Kanes Schocker "Gesubert" stellte er sie nackt hin. Und wieder hielt sie dagegen mit einer rhrenden Liebessehnsucht, amputiert und verstmmelt und den Phantasien eines Sadisten ausgeliefert drang sie durch diese Bhnenhlle, tapfer und unvergesslich. Ich fand sie toll, fand aber, sie solle mehr essen. Sie bestellte Wein und steckte sich die 18.Zigarette an.
Sie war auf diese Grenzgnger-Rollen abonniert, die bisweilen schwer ertrglich waren. Sie hatte mir nach Rio ihren Hanecke-Thriller "Funny Games" geschickt, den ich, nichtsahnend, meinen brasilianischen Freunden vorfhrte. Ein neuer Film aus Deutschland, sagte ich stolz.
Suse und Uli spielen ein Paar, das von zwei Psychopathen in ihrer Villa berfallen wird - und dann, langsam, mit Baseballl-Schlgern, unter Gelchter, zwei Stunden lang zu Tode geprgelt wird.
Unsere Freunde fanden sich nach 20 Minuten alle verschreckt oder kopfschttelnd in unserer Kche zusammen. Und ich konnte mich nicht lsen von der Virtuositt, mit der die beiden Opfer des elementar Bsen wurden, die hofften, die schrien, die flohen und aufatmeten und wieder eingefangen wurden und vllig sinnlos starben. Schwrzer kann man das Schicksal, das Leben nicht kommentieren. Funny Games.
Ihr Rollenfach schien das der Erniedrigten zu sein
Arie Zinger, der mit ihr unter anderem "Liebestoll" inszeniert hatte, war gerade aus Tel Aviv in Berlin gelandet, als ich ihm von Suses Tod erzhlte. Natrlich war er schockiert. Mann, Suse. Erst Uli, dann sie. "Was ich an ihr so toll fand, war, dass sie auch in den tragischsten Rollen noch die Komik entdeckte, das stand gar nicht im Text, das hat erst sie entdeckt". Wir unterhielten uns noch lange, und er erzhlte, wie Suse in "Fool for love" (damals zusammen mit Uli Tukur) aus einem mittelmigen Stck eine Sensation gemacht habe. Funny Games, in der schwrzesten Nacht.
In Hanekes "Das weie Band", wieder so eine Kippfigur, die missbrauchte Hebamme, diese Inzestgeschichte im Protestantenmilieu, diese schwarzweie Passion. Dann dieser vllig missglckte Geiendrfer-Film, in dem nur ihr Mut in Erinnerung bleibt. Ihr Rollenfach schien mittlerweile das der Erniedrigten zu sein.
Als sie aus Peter Zadeks vorletzter Produktion ausstieg, Shakespeares "Was ihr Wollt", hatte ich ihr Vorwrfe gemacht und ihr Undankbarkeit vorgeworfen. Ich Rindvieh wusste nicht, dass Uli im Sterben lag. Ich hatte mich entschuldigt, und tue es jetzt gerne noch mal. Und ich mchte annehmen: Suse, du hast es jetzt besser.
Da ich mich gerade mit dem Schutzpatron aller Zerrissenen, dem Verrckten und Gottsucher Hermann Hesse beschftige, hier die letzte Strophe aus seinem schnen Gedicht "Stufen":
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Rumen jung entgegen senden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden... Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Suse, ich vermisse dich.
Der Tageskrempel ist pltzlich so klein.
Meine Gedanken sind bei deiner Mutter Ingrid Andree, und natrlich bei deinen Kindern.
Das Theater und der Film wird knftig nicht mehr wissen, wem es die Zerrissenen, die Mutigen, die unendlich Verletzlichen, die Grenzgngerinnen anvertrauen soll. Die all das sind, und die darin leuchten